Wir Lehrkräfte versuchen ja eigentlich tendenziell stets, unsere Schüler*innen zu besserem anzustacheln. Das Ziel ist dabei natürlich, dass sie idealerweise – insbesondere in unserem Fach – eine Lernsteigerung erfahren. Eigentlich möchte man meinen, dass unsere Lernenden uns dies in Form einer Annahme unseres Angebots danken würden. Leider musste ich in letzter Zeit (wieder mal) eher das Gegenteil feststellen… und das macht mich oft einfach müde. Und obwohl derzeit noch Schulferien sind, geistert mir diese Problematik immer wieder im Kopf herum.
Das Problem mit den Privatlehrern*innen
Wie ich bereits zuvor berichtet habe, unterrichte ich Englisch an einer französischen Privatschule in der Elfenbeinküste. Privatschule bedeutet auch, dass die Familien der Kinder fast ausschließlich über gute finanzielle Möglichkeiten verfügen. Man möchte zwar meinen, dass dieser Umstand wenig mit unserem Unterricht zu tun haben und wenn, dann eher Vorteile mit sich bringen sollte (wie zum Beispiel die ausreichende Finanzierung von Projekten). Leider erscheint mir eher das Gegenteil der Fall.
So haben wir in unserem Englischteam bereits entscheiden müssen, keinerlei Texte unserer Schüler*innen zu benoten, die zu Hause erstellt wurden. Das Problem ist nämlich, dass diese häufig von Privatlehrern*innen verfasst werden. Diese können sich nämlich fast alle Eltern leisten, weshalb manche Kinder bis zu drei (!) davon pro Woche sehen.
Schüler*innen, die also im Unterricht kaum einen geraden Satz herausbekommen, reichen plötzlich Texte auf universitärem Niveau ein. Darauf angesprochen, weisen die Eltern dann selbstverständlich jegliche Schuld von sich. Selbstverständlich haben die Kinder das alles ganz alleine gemacht. Ja, klar…
Dies stellt natürlich einen erheblichen Nachteil denjenigen gegenüber dar, die sich dies nicht leisten möchten oder können oder denjenigen, die die Arbeit ernst nehmen und sich alleine an Aufgaben setzen. Noch dazu bilden diese Ergebnisse nicht die Wirklichkeit ab. Derartige Leistungen, die nicht der Realität entsprechen, werden dementsprechend nicht mehr benotet. Schließlich sollen Noten – so sehr diese und der Umgang mit diesen auch immer wieder in der Kritik stehen – einem dazu verhelfen besser einschätzen zu können, wie sehr die geforderten Fertigkeiten sowie der Unterrichtsstoff beherrscht werden.
Belege sind wichtig
Man möchte meinen, das sollte reichen. Ich dachte, dass ich in meinem Unterricht durch eine derartige Entscheidung den Einfluss von außen recht klein halten könnte. Das dachte ich zumindest. Aber nicht doch…! Die Schüler*innen scheinen stetig Wege zu suchen und auch zu finden, um ihnen das Leben noch weiter vereinfachen zu können. Die Faulheit scheint kein Ende zu finden.
So benote ich zwar keine Hausaufgaben, aber ich kontrolliere diese dennoch. Sind diese nicht gemacht, so notiere ich dies. In der Regel informiere ich die Eltern darüber. Oftmals gebe ich den Schülern*innen beim ersten Mal eine Chance, aber danach versende ich eine Information an die Eltern. Nach mehrmaligem Nichterledigen der Hausaufgaben muss die betroffene Person an einem Tag länger in der Schule bleiben, um die Aufgaben nachzuholen.
Das mag man gut oder schlecht finden. An meiner Schule ist es jedoch wichtig, für alles Nachweise zu haben. Ich kann mich beispielsweise nicht am Ende des Schuljahres über das Verhalten einer/s Schülers*in beschweren und einen negativen Zeugniskommentar schreiben, wenn ich die Probleme nicht auch den Erziehungsberechtigten mitgeteilt und andere Personen (wie die leitenden pädagogischen Berater*innen, die sich um die Schulverwaltung kümmern) informiert habe.
Die Faulheit scheint zu steigen
Natürlich muss ich bei einem derartigen Vorgehen auch in Kauf nehmen, wenn die Aufgaben vom/von der Hauslehrer*in (oder einem Elternteil) erledigt wurden. Sollten Schüler*innen jedoch nicht über eine/n solche*n verfügen oder diese/n vor der nächsten Stunde nicht sehen, so haben sie ihre Aufgaben also selbst zu erledigen, wenn sie keinen Negativeintrag riskieren wollen. In den letzten Wochen des vergangenen Schuljahres habe ich jedoch erfahren müssen, dass es einige Schüler*innen gibt, die auch hierfür eine „Lösung“ gefunden haben.
Um keine negativen Konsequenzen tragen zu müssen, übersetzen diese ihre Hausaufgaben lieber im Internet, anstatt sich selbst die Mühe zu machen, diese ernsthaft zu verfassen. Es ist bekannt, dass Onlineübersetzer mit ihrer Übersetzung nicht immer richtig liegen. Da Lehrkräfte aber sowieso nicht über Fehler in den Produktionen der Schüler*innen verwundert sind, fällt das ja gar nicht weiter auf. Heute gibt es ja auch Übersetzer, die immer besser werden.
Ich bin enttäuscht… und müde
Auch, wenn ich grundsätzlich daran gewöhnt sein sollte, dass die meisten Menschen wohl grundsätzlich den Weg des geringsten Widerstandes wählen, so war ich doch sehr enttäuscht, als ich hiervon erfahren habe. Worauf kann ich mich denn überhaupt noch verlassen? Es ist, als hätte ich gar keine verlässlichen Mittel mehr, um meine Lernenden zum Arbeiten anzuhalten. Immer deutlicher zeigt sich, dass diejenigen, die etwas lernen möchten, ihre Arbeiten auch erledigen und die anderen jeglichen Aufwand versuchen zu vermeiden.
Mich macht das müde. Ich zweifle viel an mir selbst. Oft habe ich das Gefühl, dass ich noch soviel arbeiten kann. Nur die Wissbegierigen danken mir dies. Dabei versuche ich doch stets, Unterrichtsinhalte auszuwählen, die die Schüler*innen interessieren könnten. Schließlich können wir beispielsweise in der Oberstufe unter dem Titel einer Unit frei auswählen, welchen Themenbereich wir dabei behandeln möchten. Ich merke aber auch, dass ich immer verzweifelter nach Mitteln und Wegen suche, die Lernenden zum Arbeiten zu motivieren.
Selbstverständlich zeigt sich nicht durch das Erledigen von Hausaufgaben, wieviel Interesse Schüler*innen für das eigene Thema oder Fach haben. Dennoch kann dies als ein Indikator gesehen werden. Zumindest sehe ich das so. Denn, wenn die Lernenden von sich aus Interesse an einer Thematik verspüren, so werden sie ihre Arbeiten doch tendenziell selbst erledigen. Also, zumindest bilde ich mir dies ein. Vielleicht liege ich auch hierin völlig daneben. Eine Ursachenforschung ist also vonnöten, um dieser Problematik besser begegnen zu können.
Mögliche Ursachen
1. Die Art der Aufgaben
Die Frage ist natürlich, woran es liegt. Tendenziell frage ich mich zuerst, ob es an mir liegt. Sind die Aufgaben zu schwer? Das kann ich allerdings nicht wirklich gelten lassen, denn viele meiner Aufgabenstellungen sind recht leicht. Ich möchte ja erreichen, dass die Schüler*innen diese auch alleine bewältigen können. Wer sich also hinsetzt und nur ein bisschen versucht, etwas zu Papier zu bringen, der wird es auch schaffen.
Ich hatte gedacht, dass dies der oder zumindest ein Schlüssel sei, um die Schüler*innen zum Arbeiten zu animieren. Wenn es einfach ist, dann setzt man sich auch viel eher hin, um es zu erledigen. In der Lage zu sein, eine Aufgabe schnell zu erledigen, würde bei mir zumindest zu einer größeren Motivation führen. Aber naja, wie schon gesagt: „bei mir“…
Noch dazu versuche ich, so oft wie möglich Aufgaben aufzugeben, bei denen die Schüler*innen ihre eigene Meinung ausdrücken müssen. Ich hielt das für interessant genug. Noch dazu hatte ich das Gefühl, dass die Schüler*innen hierdurch gezwungen sind, ihren Kopf anzustrengen. Schließlich können sie ihre Meinung nicht im Internet finden.
Könnte dies aber auch der falsche Ansatz sein? Möglicherweise haben die Lernenden durch die zum Teil recht leichten Aufgaben einen geringeren Anreiz.
2. Oder liegt es doch an mangelnder Konzentration?
Vielleicht liegt es aber auch doch nicht an mir. Schließlich wissen wir, dass das Internet und ähnliches einen so großen Einfluss auf unsere Lernenden hat, dass diese immer weniger dazu in der Lage sind, sich länger auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Es ist, als wäre das Gehirn gar nicht mehr imstande, ohne die vielen Ablenkungen durch das Internet auszukommen.
Mehr hierzu finden Sie im ersten und zweiten Teil meiner Zusammenfassung des Buchs Deep Work. Rules for focused success in a distracted world von Cal Newport. In diesem Werk beschreibt der Autor unter anderem, dass das Gehirn vieler Menschen regelrecht neu strukturiert ist, so sehr strebt dieses oftmals nach Ablenkung. Sich für einen längeren Zeitraum auf etwas zu konzentrieren fällt vielen Menschen zusehends schwer.
Das geht auch vielen Schülern*innen so. Der Gedanke an all das, was da auf dem Handy rumschwirrt, kann da schnell zu so viel Ablenkung führen, dass jegliche Mehrarbeit umgangen werden möchte. Dass die Bewältigung einer womöglich schwierigen Aufgabe zu einem größeren Hochgefühl im Belohnungszentrum führt, dass ist ihnen nicht bewusst. Viel mehr suchen sie nach der schnellen Belohnung. Dazu habe ich auch bereits in meinem Artikel „Handys im Klassenzimmer – Hilfe oder Hemmnis?“ geschrieben.
3. Mangelnde Konsequenzen
Ich bin mir dessen bewusst, dass ich im vergangenen Schuljahr das Vergessen der Hausaufgaben nicht immer sofort geahndet habe. Diesem Umstand schreibe ich die Tatsache zu, dass meine Schüler*innen die Hausaufgaben nicht immer regelmäßig erledigt haben. Dies habe ich (fast) ausschließlich mir selbst zuzuschreiben. Ich weiß.
Dies sehe ich aber dennoch nicht als Grund dafür, dass ich im vergangenen Schuljahr anscheinend einige Schüler*innen – wer genau es war, kann ich bis heute nicht sagen – unterrichtete, die ihre Aufgaben lieber durch den Übersetzer jagten, als unvollständige Aufgaben abzugeben oder gar keine vorzeigen zu können.
Das Problem ist ja eigentlich, dass ich meinen Schülern*innen dies nicht nachweisen kann. Wie kann ich denn wissen, ob sie ihre Antworten auf Fragen selbst erledigt und dabei eventuell einige Begriffe nachgeschaut haben oder ob sie ihren Text auf Französisch verfasst und dann komplett haben übersetzen lassen? Das ist nicht möglich. Somit können auch keine Konsequenzen folgen. Darüber sind sich diese Lernenden natürlich bewusst. Und wenn sie einmal damit durchgekommen sind, so ist die Versuchung groß, dies zu wiederholen.
Was kann man tun?
Die Frage ist natürlich, was man dagegen tun kann. Seitdem mich die Mutter eines Schülers über die dargestellte Problematik informiert hat, stelle ich mir diese Frage immer und immer wieder. Ganz auf die Kontrolle von Hausaufgaben möchte ich jedoch auch nicht verzichten. Denn ohne diese, würden diese gar nicht mehr gemacht. Oder eben nur von denjenigen, die es eigentlich nicht bräuchten, weil sie bereits so schon gerne lernen, freiwillig meinen Unterrichtsstoff nacharbeiten und stets gut auf den Unterricht vorbereitet sind.
Ich kann nicht einfach nur von Stunde zu Stunde arbeiten. Es ist wichtig, dass die Schüler*innen auch außerhalb meines Unterrichts an ihren Englischsprachkenntnissen arbeiten. Schließlich reicht es beispielsweise nicht, wenn Lernende einer Vokabel nur in einer Unterrichtsstunde begegnen. Sobald diese in einer nachfolgenden Stunde wieder erwähnt würde, so würden sich die Lernenden wohl kaum an diese erinnern. Dementsprechend muss ich sichergehen, dass dieses Wort, speziell wenn dieses von Wichtigkeit ist, auch gelernt wird. Ohne einen extrinsischen Anreiz würde eine Vielzahl der Schüler*innen dies einfach nicht tun. Es ist ja so schon oftmals schwer, die Lernenden zum Arbeiten anzuhalten.
Selbstverständlich könnte ich das Wissen über die außerhalb meines Unterrichts zu erledigenden Aufgaben auch durch (spontane) Tests im Unterricht abfragen. Hierdurch würden die Lernenden schnell verstehen, dass ein halbherziges Erledigen der Aufgaben nicht genug ist. Ich habe dies allerdings noch nicht ausprobiert.
Fazit
Abschließend lässt sich festhalten, dass meine bisherigen Strategien noch nicht ausreichend gefruchtet haben: sprich, speziell die Schüler*innen, die ein Arbeiten nötig hätten, umgehen oftmals jegliche Arbeit. Wenn es einen Ausweg gibt, ohne mit kurzfristigen Konsequenzen – also Bestrafungen – rechnen zu müssen, so wird dieser anscheinend von mehr und mehr Lernenden gewählt. Die langfristigen Konsequenzen eines nicht Erlernens von beispielsweise Vokabeln sehen sie nicht.
So scheinen einige Schüler*innen – bis heute kann auch nicht mit Bestimmtheit sagen, um welche es sich hierbei handelt – ihre Aufgaben mit Hilfe des Internets zu übersetzen, um bloß nicht selbst denken zu müssen. Man könnte ja mehr Zeit mit den Aufgaben zubringen, als – ihrer Meinung nach – nötig. Dadurch würde ja „wertvolle“ Zeit draufgehen, die viel mehr für andere Aktivitäten privater Natur verwendet werden könnte. Ich hoffe für die Zukunft, dass ich einen Weg finden werde, um diese Problematik besser angehen zu können.
Und Sie?
Wie Sie sehen, fühle ich mich bei diesem Thema doch recht verloren. Ich möchte meine Schüler*innen zum Arbeiten anspornen, aber ich weiß nicht, wie ich deren Faulheit verringern kann. Dementsprechend zähle ich auf Sie. Wie gehen Sie mit Hausaufgaben um? Halten Sie dies auf freiwilliger Basis oder sind diese verpflichtend? Sollte letzteres der Fall sein, was passiert, wenn diese nicht erledigt werden? Wie bringen Sie Ihre Schüler*innen dazu, die aufgegebenen Aufgaben umzusetzen? Bitte schreiben Sie mir einen Kommentar oder eine Nachricht. Ich würde mich sehr freuen.
Abbildungsverzeichnis:
- Abbildung 1: „Ein roter Panda“ (Quelle: Gesund.at), unter: https://www.gesund.at/sport/gehirn-faulheit/ (Zugriff: 03.08.2022)
- Abbildung 2: „Online-Übersetzer werden immer besser…“ (Quelle: Forschung & Lehre), unter: https://www.forschung-und-lehre.de/zeitfragen/warum-wir-weiterhin-uebersetzer-brauchen-3004 (Zugriff: 03.08.2022)
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