Seit Beginn des Jahres beteiligen sich interessierte Blogger*innen an einer Blogparade (Ich berichtete bereits darüber in meinen Artikeln „Blogparade 2024 #1 – Mein (schulisches) Motto für 2024“ und „Blogparade 2024 #3 – Die Attraktivität des Lehrberufs“). Dabei verfassen alle Interessierten einen Artikel zu einem bestimmten Thema und veröffentlichen diesen bis zu einem festgelegten Datum auf ihrem Blog. In der neuen Ausgabe der Edublogparade 2024 geht es um die Frage, warum man in der heutigen Zeit noch Lehrkraft werden sollte.
Bei all der negativen Publicity, dem Mangel an Lehrkräften etc. ist diese Frage nur allzu berechtigt. Inspiriert durch Herrn Mess‘s sehr persönlichen Bericht (https://herrmess.de/2024/10/07/runde-8-der-edublogparade-2024/#comment-4617), möchte ich die Frage ebenfalls auf persönliche Art beantworten, anstatt eine Pro-und-Kontra-Liste zu rezitieren. Dabei werde ich stellenweise etwas vom Thema abweichen. Das ist aber, wie Sie hoffentlich merken werden, nötig, um schlussendlich zu einer finalen Antwort zu gelangen.
Meine persönliche Antwort
Wie gerne wäre ich in der Lage, so wie es Herr Mess in seinem Artikel tut, von meiner riesigen Leidenschaft für den Beruf der Lehrerin bzw. der des Lehrers zu schwärmen. Wie gern würde ich sagen können, dass ich schon als Schülerin davon träumte, vor einer Klasse stehen und den vor mir sitzenden Schülern*innen etwas beibringen zu können. Und wie gerne wäre ich in der Lage, das Ganze mit einer dringenden Aufforderung für alle zu versehen, diesem Beruf ebenfalls nachzugehen.
Mein Weg in den Lehrberuf
Allerdings bin ich dazu nicht in der Lage. Es fällt mir schwer und es ist mir zum Teil auch unangenehm, darüber zu sprechen, aber ich finde, dass auch das ausgesprochen gehört. Denn ich bin aus Unwissenheit darüber, was ich mit meiner Leidenschaft für Fremdsprachen beruflich machen sollte, mehr oder weniger so in den Beruf hineingerutscht. Mit dem Abitur in der Tasche hatte ich zwar keine Ahnung, was ich beruflich machen wollte, aber einen Beruf auf jeden Fall nicht: den der Lehrkraft… Zu sehr hatten mich die Negativbeispiele im Rahmen meiner Schulzeit wohl abgeschreckt.
Dann begann ich Fremdsprachen zu studieren. Doch eine Idee, was ich damit machen wollte, hatte ich immer noch nicht. Bei der Berufsberatung empfahl man mir den Beruf der Lehrkraft. Eine echte Alternative konnte mir die Person dort nicht nennen. Der einzige weitere mir bekannte Beruf, der sich mit Fremdsprachen beschäftigte, war der des/der Dolmetschers*in und der des/der Übersetzers*in. Nach einem Vortrag einer Dolmetscherin und Übersetzerin, in welchem sie von ihrem Arbeitsalltag berichtete und dem großen Einfluss den dieser Beruf auf ihr Privatleben hatte, empfand ich diesen als keine echte Option.
Nach mehreren Praktika in Schulen, entschied ich mich, den Berufsweg der Lehrkraft einzuschlagen. Schließlich macht es mir Spaß, Menschen etwas beizubringen. Ich hoffte, dass sich in mir schlussendlich ein klares „Ja“ für den Lehrberuf in meinem Kopf einstellen würde. Doch auch heute weiß ich noch immer nicht, ob mich dieser Beruf auf die Dauer zufriedenstellen wird.
Eventuell haben Sie nun den Eindruck, dass ich nicht die beste Wahl bin, um die Frage angemessen zu beantworten, warum man heute noch Lehrkraft werden sollte. Und womöglich haben Sie sogar recht. Allerdings habe ich den Eindruck, dass mir durch meine Außenseiterposition gleichzeitig ein ganz anderer Blick auf den Beruf möglich ist.
Die schönen Seiten…
Obwohl der Lehrberuf nicht meine erste Wahl war, heißt das aber nicht, dass ich diesen weniger gewissenhaft ausführe als andere Personen, die den Beruf aus Berufung ergriffen haben. Ich bringe das nötige Investment mit. Ich möchte meine Sache gut machen. Wenn möglich, sogar sehr gut. Von vielerlei Seite wird mir auch oft widergespiegelt, dass mir das auch mehrheitlich gelingt.
An der mangelnden Motivation liegt es also nicht. Und so, wie es Herr Mess in seinem Artikel beschreibt, bin auch ich enttäuscht, wenn meine Schüler*innen in einem Test völlig versagen, obwohl ich soviel mit ihnen geübt habe. Auch bin ich unzufrieden, wenn ich merke, dass einige Schüler*innen kein Interesse daran haben zu lernen und meine Hilfsangebote schlichtweg ablehnen. Zudem bereitet es mir nach wie vor Freude, Menschen etwas beibringen zu können. Sehe ich die positiven Resultate und Fortschritte meiner Schüler*innen, so motiviert mich dies weiterzumachen. Es zeigt ja schließlich, dass ich nicht alles verkehrt gemacht habe.
Der Kontakt mit diesen jungen Menschen und über deren Erzählungen und Interessen zu erfahren, das alles bereitet mir immer wieder aufs Neue Freude. Besonders mag ich es, interessanten und gut durchdachten Beiträgen von Schülern*innen zu lauschen. Und gerade dann, wenn Schüler*innen sich im Unterricht oder im persönlichen Gespräch einem gegenüber öffnen mögen, und sich dadurch eine echte Gemeinschaft entwickelt, gibt mir dies ein positiveres Gefühl.
…und die Baustellen – Dompteuse oder domptiert?
Gleichzeitig sind da aber tatsächlich die vielen Überstunden, all die viele Mehrarbeit. Ich habe den Eindruck, dass der Beruf mein Leben regelrecht dominiert. Und das gefällt mir nicht. Ich bin eben nicht nur Lehrerin. Wenn ich andere Lehrer*innen anschaue, dann habe ich das Gefühl, dass diese nur so vor Ideen und Motivation übersprudeln. Manche scheinen andauernd auf der Suche nach tollen Gadgets für ihren Unterricht zu sein.
Und so sehr ich interessiert daran bin, meinen Schülern*innen einen interessanten und vielseitigen Unterricht zu bieten und ich auch stetig darüber nachdenke, wie ich meine Unterrichtsinhalte noch verständlicher machen kann, so bin ich aber auch nicht 24 Stunden am Tag Lehrerin. Und das macht mich mürbe.
Es ist, als müsste man sich entscheiden. Zwischen einem super tollen und vielfältigen Unterricht und einem, der das nötige Wissen vermittelt, aber eben nicht so ein Methodenfeuerwerk bietet. Sehe ich diese begeisterten Lehrkräfte, so macht sich in mir die Angst breit, nicht genügend Motivation für den Beruf mitzubringen. Natürlich weiß ich nicht, wie es in den Köpfen der anderen Lehrkräfte aussieht, aber dennoch fühle ich mich dann doch minderwertig.
Und das führt erneut zum Faktor der vielen Überstunden. Denn, um wirklich stets die neuesten Methoden und Techniken einsetzen zu können, muss man – scheinbar – permanent am Ball bleiben. Und das meine ich wortwörtlich: stetig und immer. Und das ist eben erneut mit viel Zeit verbunden. Noch dazu finde ich es schade, dass ich nicht mehr auf die einzelnen Individuen eingehen kann. Ich sehe immer wieder, dass einzelne Schüler*innen eigentlich viel mehr individuelle Unterstützung bräuchten. Diese kann ich ihnen aber nicht wirklich bieten. Nicht, wenn ich dabei nicht die anderen Schüler*innen vernachlässigen möchte. Der Hauptfaktor ist also Zeit. Und an der mangelt es erheblich.
Eine finale Antwort?
Für mich gibt es keine finale Antwort auf die Frage, warum man heute Lehrkraft werden sollte. Das muss jede/r für sich persönlich entscheiden. Ich stimme aber Herrn Mess und auch Erik Grundmann (Link: https://www.schulmun.de/2024/10/05/2024-26-warum-solltest-du-lehrerin-werden/) zu, dass es beim Unterrichten bzw. dem Arbeiten als Lehrkraft viel weniger um die ausschließliche Wissensvermittlung geht. Stattdessen ist es Teil unserer Aufgabe, unsere Schüler*innen darin zu unterstützen, zu mündigen, selbstständigen aber auch intelligenten Mitgliedern der Gesellschaft zu werden, die idealerweise auch Fragen stellen, statt bloß der Masse zu folgen.
Wer der Idee des Nürnberger Trichters gleich, nur Wissen in die Köpfe der Schüler*innen schütten will, der ist in diesem Beruf definitiv falsch. Einen gewissen Willen, über das zu vermittelnde Material hinaus gehen zu wollen, sollte man also schon mitbringen. Und das ist nun einmal mit einem Mehr an Arbeit verbunden. Wer nicht bereit ist, diese zu investieren, der sollte dementsprechend nach einem anderen Beruf schauen. Nur das Lehrbuch aufschlagen und die jeweilige Seite unterrichten – das reicht nicht aus.
Doch um diesen Beruf wirklich gut ausführen zu können, braucht es eine Menge Zeit. Durch den Lehrkräftemangel wird Lehrern*innen auch immer mehr aufgebürdet. Die Zeit für die eigentlich wichtigen Dinge mit einem größeren Einfluss wird logischerweise immer knapper und knapper. Solange sich das System nicht ändert und Lehrkräften nicht mehr Zeit für das Wesentliche zur Verfügung steht, kann ich denjenigen, die sich gegen diesen Beruf entscheiden, deshalb diese Entscheidung nicht verübeln. Nichtsdestotrotz: Wer einen Beruf mit Einfluss und Reichweite sucht, bei dem man mit jungen Menschen arbeitet, der sollte den der Lehrkraft trotz aller Widrigkeiten ins Auge fassen.
Herr Rau
Ich glaube auch, dass Zeit ein Hauptproblem ist., weil es eben wichtig ist, dass man nicht nur Lehrkraft ist, sondern auch Zeit für anderes hat. Das Eingehen auf einzelne Schülerinnen und Schüler geht schon lange nicht mehr ausreichend. Das Sprudeln an Motivation und Ideen kann aber auch so kommen, bei mir ist es jedenfalls so, dass mir Ideen zu jeder Zeit einfallen, für Schule und anderes, die schreibe ich dann auf und mache manchmal Jahren, manchmal auch noch gar nicht etwas damit.
Laerari
Es beruhigt mich, dass ich nicht die einzige Person bin, die Zeitmangel als ein zentrales Problem sieht. Und ich gebe dir recht, dass es wichtig ist, auch Zeit für anderes zu haben. Wenn man permanent nur mit Schule zu tun hat und diese noch dazu einen erheblichen Einfluss auf das Privatleben hat, dann sinkt die Motivation doch erheblich. Und mit der sinkenden Motivation kommen einem auch zusehends weniger Ideen. Meiner Erfahrung nach kommen einem viele tolle Ideen oft erst, wenn man etwas ganz anderes macht, etwas, was nicht mit Schule zu tun hat. Und dafür braucht es einfach Zeit.
Herr Mess
Ein toller Beitrag! Und danke für die Blumen!
Die Genese zum Lehrerberuf ist egal. Wenn du dich im Kerngeschäft wohlfühlst, bist du goldrichtig! Ich hoffe nur, dass unser Kerngeschäft irgendwann mal wieder unser Hauptgeschäft wird. Es ist einfach zu viel los gerade.
Laerari
Vielen Dank für das Lob.
Ja, ich gebe dir recht: Es ist wirklich zu viel los.