Realitätsnähe
Realitätsnähe. Dieser Aspekt ist sehr wichtig im Unterricht. Nicht umsonst wird sie im Verlauf des Referendariats stetig betont. Zumindest war dies im Verlauf meines Vorbereitungsdienstes der Fall. Denn nur selten kann man die Schüler*innen motivieren, wenn sie das Thema nicht interessiert und auch nichts mit ihrer Lebenswirklichkeit zu tun hat, also ihrem alltäglichen Leben.
So können Lernende, die sich in der fünften Klasse befinden, höchstwahrscheinlich wenig mit Marketing und Unternehmensgründung anfangen. Befinden sich Schüler*innen hingegen in der zehnten Klassenstufe, im Verlauf derer sie sich entscheiden müssen, ob sie anschließend in die Oberstufe übergehen (das hängt natürlich auch von den Noten ab) oder bevorzugt eine Ausbildung beginnen möchten, so ist ein Unterricht, der sie über mögliche Berufszweige informiert, die sie einschlagen können, in welchem sie über diese recherchieren und diese eventuell sogar in der Klasse vorstellen können, höchstwahrscheinlich näher an ihrer Lebenswirklichkeit als jegliches andere Thema. Meist kann ein Lehrbuch dies kaum bewerkstelligen. Immer wieder finden sich in diesen Themen, die wenig mit unseren eigenen Schülern*innen zu tun haben.
Wie kreiere ich einen realitätsnahen Unterricht?
In den Curricula bzw. Bildungsplänen, Lehrplänen oder wie auch immer sie jeweilig genannt werden eines jeden Bundeslandes stehen für jedes Schuljahr Informationen zu den Anforderungen und zu unterrichtenden Aspekten. Auch mögliche Materialien finden sich hier vielfach wie die Lektüre eines Buches. Abgesehen davon liegt es jedoch an uns Lehrkräften, wie wir diese Anforderungen umsetzen. Viele Lehrwerke bieten interessante Unterrichtseinheiten an.
Ist dies jedoch nicht der Fall, so gilt es, selbst fündig zu werden. Wichtig dabei ist, das Material im Detail anzuschauen und uns unsere Schüler*innen vor dem inneren Auge vorzustellen. Bereits kurze Zeit nach Beginn des Schuljahrs haben wir in der Regel ein relativ gutes Bild von deren Interessen. Selbstverständlich können wir diese nicht immer mit in unseren Unterricht einbeziehen und natürlich auch nicht alle gleichzeitig. Dennoch sollten wir immerzu versuchen, dies so oft wie möglich zu bewerkstelligen. Je öfter der Unterricht relevant für unsere Klasse ist, desto öfter wird sich auch deren Aufmerksamkeit auf die Unterrichtsinhalte richten, anstatt völlig abzuschalten.
Keine Illusionen
Natürlich sollten wir uns keine Illusionen machen, dass unsere Planung auch immer so gut ankommt wie erhofft, selbst wenn diese die Interessengebiete unserer Lernenden mit einbezieht. Mitunter bevorzugen die Schüler*innen, sich lediglich in ihrem Privatleben mit dem jeweiligen Bereich zu beschäftigen. Noch dazu behandelt der Unterricht das jeweilige Interessengebiet natürlich auch anders, als dies im Privaten geschieht. Auch aus diesem Grund kann es geschehen, dass unsere Schüler*innen unsere Unterrichtsidee(n) mitunter nicht so überschwänglich empfangen, wie wir uns dies erhofft haben. Wir sollten uns von derartigen Rückschlägen jedoch nicht demotivieren lassen. Besser sollten wir die gleiche Motivation beibehalten und immer wieder aufs Neue versuchen, unsere Lernenden für unseren Unterricht zu begeistern.
Nicht nur Bekanntes lehren
Gleichzeitig sollten wir uns aber auch bewusst machen, dass unsere Lernenden auch in der Schule sind, um Neues kennen zu lernen. Würden wir in der Schule stetig nur das lehren, was die Schüler*innen bereits aus ihrem Privatleben kennen, so würden sie doch recht schnell in ihrem Wissenszuwachs stagnieren. Stattdessen sollten wir ihnen auch stetig etwas ihnen Unbekanntes bieten. Wir sollten aber dennoch für ein besseres Verständnis versuchen, dies in Verbindung zu Dingen aus ihrem Alltag zu setzen. Auf diese Weise kann der Verstehensprozess deutlich unterstützt werden.
Taking the fear out of Shakespeare – Auch Shakespeare kann realitätsnah sein.
Man mag darüber streiten, wer William Shakespeare war und ob dieser wirklich all die unter seinem Namen erschienenen Werke verfasst hat. Auf jeden Fall ist klar, dass diese zwischen dem Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts erschienen sind. Seitdem sind um die vier-,fünfhundert Jahre vergangen. Dies macht diese Werke nicht unbedingt zu etwas, was als realitätsnah bezeichnet werden könnte. Dennoch ist zumeist das Gegenteil der Fall.
Die Sprache als Hürde
Sieht man über die oft schwierige Sprache hinweg, so weisen all die unter dem Namen Shakespeares erschienenen Werke eine detaillierte Analyse der damaligen Gesellschaft auf – und dies mit all ihren Nuancen wie Liebe, Hass, Neid und des Weiteren mehr. Seitdem hat sich vieles verändert. Die grundlegenden Aspekte sind dennoch gleichgeblieben: auch unsere heutige Gesellschaft weist genau diese Faktoren auf.
Die Frage danach, wie man nun Shakespeare realitätsnah unterrichten kann, setzt genau an diesem Punkt an. Diesbezüglich ist es essenziell, die Schüler*innen begreifen zu lassen, dass es die Hürde der schwierigen bzw. ungewohnten Sprache zu überwinden gilt. Es liegt hierbei an uns Lehrkräften, ihnen dabei zu helfen. Mithilfe von Materialien und der Erklärung des grundlegenden Geflechts des jeweiligen Werkes können die Schüler*innen die eigentliche Botschaft besser verstehen. Wenn dann mehr ins Detail gegangen wird und geeignete Auszüge genauer analysiert werden, kann sich auch ihnen das Aktuelle in Shakespeares Werken eröffnen. Dies kann ihnen deutlich die Angst vor Shakespeare und seiner doch sehr komplizierten Sprache nehmen.
Neuinterpretationen als Hilfsmittel
Zusätzlich sind wir uns darüber bewusst, dass die Erzählstruktur der Werke Shakespeares oftmals wiederkehrt. In vielen Filmen und Büchern sowie Serien finden sich oftmals Elemente aus den Shakespearschen Stücken wieder. Sobald unsere Schüler*innen dies erkennen, hilft ihnen dies ebenfalls im Verstehensprozess der originalen Werke.
Schafft man es zudem, einen aktuell angesagten Film oder ein aktuell sehr beliebtes Buch auszuwählen, so wird das Interesse garantiert noch mehr geweckt werden. Nach wie vor ist ja beispielsweise die Netfliexserie „Game of Thrones“ sehr angesagt. In dieser finden sich selbstverständlich eine Vielzahl der Elemente, die bereits in den Werken Shakespeares Erwähnung fanden. Schafft man diesbezüglich geeignete Szenen aus der genannten Serie sowie aus einem Werk Shakespeares zu wählen und diese in einen Vergleich zu setzen, so werden sicherlich mehr Schüler*innen Interesse zeigen, als es bei einer bloßen Lektüre und Analyse des Originalwerks selbst geschieht.
Was hat Snoop Dogg mit Shakespeare zu tun?
Interessant finde ich auch die Herangehensweise eines amerikanischen Englischlehrers, der sich diesbezüglich auf YouTube (Der Name des Kanals ist: Real Rap With Reynolds) geäußert hat (Link: https://www.youtube.com/watch?v=SL49UGSVYi4 ). Er hat die Sprache Shakespeares mit der des Rappers Snoop Dogg in Verbindung gebracht.
Hierbei hat er seiner Klasse den Songtext von „Drop it like it‘s hot“ vorgelegt. Bei der gemeinsamen Lektüre wurde den Schülern (ausschließlich Jungen) klargemacht, dass die Menschen in fünfhundert Jahren die Slang-Worte, die Snoop Dogg verwendet, wohl wahrscheinlich ebenfalls nicht verstehen werden. Diese hat Snoop Dogg selbst erfunden bzw. so verändert, dass deren Sinn in der Zukunft wohl kaum verstanden werden wird, wenn die Erläuterung nicht gegeben ist. Auf diese Weise wurde den Lernenden bewusst, wie sich die Sprache verändert. Shakespeare selbst hat schließlich auch einen nicht unerheblichen Teil der von ihm verwendeten Worte selbst erdacht.
Fazit
Abschließend lässt sich festhalten, dass wir bei unserer Unterrichtsplanung und -gestaltung stetig die Lebenswirklichkeit unserer Schüler*innen mit in Betracht ziehen sollten. Bei einer mangelnden Relevanz für sie können wir schnell deren Aufmerksamkeit verlieren. Aus diesem Grund sollten wir unsere Unterrichtsplanung, so oft und so gut es geht, in Hinblick auf ihre Interessengebiete prüfen.
Gleichzeitig können nicht alle Inhalte unseres Unterrichts realitätsnah für unsere Lernenden sein. Schließlich sollten sie auch stetig etwas Neues lernen. Wenn die Relevanz dieses neuen Unterrichtsstoffes für ihr eigenes Leben jedoch deutlich gemacht werden kann, so ist dies natürlich der Bestfall. Insgesamt ist es allerdings auch wichtig, sich nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Man kann es nicht immer allen recht machen und es gehört nunmal auch dazu, Dinge zu lernen und auf eine Art und Weise, die nicht immer von Interesse für die eigenen Lernenden ist. Nur dann, wenn man etwas Neues ausprobiert hat, kann man es auch beurteilen, anstatt es gleich aus Desinteresse abzulehnen.
Abbildungsverzeichnis:
- Abbildung 1: eigene Darstellung
- Abbildung 2: „William Shakespeare“ (Quelle: The Guardian), unter: https://www.theguardian.com/culture/2018/jan/16/shakespeare-papers-given-same-cultural-status-as-magna-carta (Zugriff: 16. September 2021)
- Abbildung 3: „Snoop Dogg“ (Quelle: Discogs), unter: https://www.discogs.com/es/artist/132084-Snoop-Dogg (Zugriff: 16. September 2021)
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