Es ist noch kein (Fremdsprachen-)Lehrer vom Himmel gefallen.

Das Problem mit dem Neinsagen

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Viele tolle Möglichkeiten

Just say no

Die Schule bietet neben den vielen Verpflichtungen auch eine Mehrzahl an Möglichkeiten. Dazu kann es gehören, (freiwillig) eine Position zu besetzen oder aber gemeinsam mit einem Team an einem Projekt zu arbeiten. Das Problem ist jedoch, dass wir Lehrkräfte bereits grundlegend viele Aufgaben zu bewältigen haben. Nehmen wir nun noch alle anderen Möglichkeiten an, so riskieren wir eine zu hohe Belastung. Wenn noch dazu Kollegen*innen mit Bitten an uns herantreten, kann dies das Fass schnell zum Überlaufen bringen. Da hilft dann nur ein „Nein“ beziehungsweise eine ablehnende Antwort. Genau hierbei handelt es sich oftmals um das größte Problem.

Warum Nein sagen oft schwer fällt

Gerade im Schulgeschehen ist ein Nein oftmals ziemlich verpönt. Alle haben eine gewisse Erwartungshaltung uns gegenüber. Neben den Eltern, die möchten, dass ihr(e) Sprössling(e) auf idealste Weise ausgebildet wird/werden und noch dazu, einen tollen Abschluss schafft/schaffen, und Schülern*innen, die meist einen tollen Unterricht verleben möchten, haben auch unsere Kollegen*innen und die Schulleitung Erwartungen an uns. Die Kollegen*innen möchten sich auf einen verlassen können und gleichzeitig wissen, dass wir auch Aufgaben übernehmen, die nicht zu unseren Pflichten gehören. Die Schulleitung hat eine vergleichbare Erwartungshaltung zu der noch dazu kommt, dass sie von uns auch erwartet, belastbar zu sein.

Gleichzeitig können wir aber auch nicht zu allem „Ja“ sagen. Sonst geraten wir schnell in eine Negativspirale des Stresses, welche leicht zu übermäßiger Erschöpfung führen kann. Da wir nicht alle an uns herangetragenen Nachfragen annehmen können, ist es also nötig, auch mal Nein zu sagen. Warum fällt dies so vielen Menschen aber so schwer? Dies kann verschiedene Ursachen haben. Bei meiner Recherche hierzu bin ich immer wieder auf mehr oder weniger dieselben Gründe gestoßen (cf. StepStone 2020; foodspring o. D.; Mai 2021): 

  1. Die Vermeidung, andere zu kränken beziehungsweise zu verletzen (Harmoniebedürfnis)
  2. Der Wunsch, zu helfen und gebraucht zu werden (Helfersyndrom)
  3. Die Angst vor den Konsequenzen 
  4. Das Bestreben, gemocht zu werden beziehungsweise das Streben nach Bestätigung
  5. Schuldgefühle/ein schlechtes Gewissen
  6. Das Gefühl der Überrumpelung
  7. Die Angst, etwas zu verpassen (FOMO)

Nicht Nein zu sagen ist problematisch

Wenn stetig Ja gesagt wird, so werden die eigenen Bedürfnisse regelrecht ignoriert: denn „dann legen andere für Sie Ihre Prioritäten fest – nicht selten zu Ihrem Nachteil“ (Fleig 2021). Sie sind jedoch genauso wichtig wie andere Menschen auch. Gleiches gilt für Ihre Zeit. Davon haben Sie nicht mehr zur Verfügung stehen als andere Menschen. Zudem müssen Sie mit Ihren eigenen Kraftreserven haushalten, die ebenfalls nicht endlos verfügbar sind. Eine Bitte abzulehnen ist somit legitim. Schließlich „kann [man] anderen nur dann wirklich etwas geben, wenn [man] selbst genug Kraft und Energie [hat] – und vor allem dann, wenn [man] gerne [tut], worum [man uns] bittet“ (Konnerth 2020).

Basiert Ihre Angst, Nein zu sagen auf dem Bestreben, gemocht zu werden, so sollten Sie sich gut überlegen, ob Sie dies wirklich als Ausgangslage verwenden wollen. Wenn Sie nur auf Grundlage Ihres Jasagens gemocht werden, so können sich hier keine aufrichtigen, ehrlichen Beziehungen entwickeln. Diese „entstehen nicht auf der Basis von Handlungen, sondern auf der Basis echter Verbindungen“ (foodspring o. D.). Dies darf nicht falsch verstanden werden. Es soll nicht bedeuten, dass man „niemandem einen Gefallen tun [soll]“ (ibid.). Echte Wertschätzung selektiert jedoch nicht danach, ob jemand stetig zur Verfügung steht. Stattdessen wird akzeptiert, wenn man „Grenzen setzt, die [die eigene] mentale und körperliche Gesundheit unterstützen“ (ibid.). 

Nein sagen ist wichtig

Es ist somit wichtig, auch mal Nein zu sagen. Hierdurch setzen Sie Grenzen und machen Ihre Prioritäten deutlich. Daneben erweist sich ein Ablehnen auch anderweitig als positiv: „Wer Neinsagen lernt, gewinnt größere Freiheit und offenbart mentale Stärke“ (Mai 2021). Außerdem ist es keine gute Idee, unmotiviert Ja zu sagen, um sich daraufhin zu ärgern. Wählen Sie alternativ besser ein bestimmtes Nein.

Dabei ist es nicht zwangsläufig nötig, das Wort „Nein“ zu verwenden. Sie können sich schon vorab eine Formulierung überlegen, die eine Ablehnung ausdrückt, ohne dieses Wort zu beinhalten. Situationen, in denen oftmals nach Gefälligkeiten gebeten wird, kann dann leichter begegnet werden.

Hinterfragen Sie Ihre Motivation

Was ist meine Motivation? Dieser Frage sollten Sie zunächst nachgehen, bevor Sie einer Nachfrage oder Bitte positiv begegnen: „Warum wollen Sie Ja sagen? Wollen Sie wirklich helfen – und können dies auch – oder stehen dahinter die oben genannten Ursachen und Ängste? Wenn Sie Ihre Motivation selbstkritisch hinterfragen, erkennen Sie leichter, wann Sie Nein sagen sollten“ (Jochen 2021). Aus einem schlechten Gewissen heraus sollten Sie sich also niemals zu einem Ja gezwungen fühlen. 

Selbstverständlich gehört es in einem Schulbetrieb wie wohl in den meisten Unternehmen zum guten Ton, auch mal auszuhelfen. Dies ist auch dann der Fall, wenn es einem eigentlich nicht so gut passt. Es gilt, auch mal Aufgaben zu übernehmen, die wir eigentlich nicht so gerne machen möchten. Jedoch sollten wir genau abwägen, ob wir auf eine Bitte hin zusagen. Passt es in dieser Situation überhaupt nicht oder fühlen Sie sich „mit dem Ja-Szenario unwohl“ (foodspring o. D.), so sollten Sie hier doch besser ablehnen.

Gleiches gilt, wenn während einer Konferenz danach gefragt wird, ob jemand ein bestimmtes Amt übernehmen kann. Haben Sie bereits genug zu tun, so sollten Sie sich auch dann nicht melden, wenn Sie die auf die Frage hin folgende Stille nicht länger aushalten können. Sie müssen sich nicht schuldig fühlen. Fragt man Sie direkt, so können Sie deutlich machen, dass Sie nicht zur Verfügung stehen. Zudem können Sie auch hervorheben, welche Konsequenzen eine Zusage Ihrerseits haben würde. Schließlich würden Sie den anderen Dingen, zu denen Sie bereits zugesagt haben, Ihre Aufmerksamkeit nicht mehr in gleicher Form schenken können. Ihre Leistung würde somit gemindert. Dies gilt gleichermaßen für Ihre Energie. 

Wie sagt man Nein?

Wie lehne ich nun aber richtig ab? Tritt eine Person mit einer Bitte an uns heran, der wir nicht nachkommen können oder wollen, so sollte die Reaktion, wie gesagt, wohlüberlegt sein. Es geht darum, unsere Ablehnung so freundlich aber bestimmt wie möglich zu formulieren. Idealerweise bedanken Sie sich auch bei Ihrem Gegenüber für das in Sie gesetzte Vertrauen. Zeigen Sie jedoch deutlich, dass Sie der Bitte nicht nachkommen können. Das kann folgendermaßen geschehen: „Danke, dass du dabei an mich gedacht hast und Vertrauen in meine Arbeit setzt. Jedoch kann ich deiner Bitte nicht nachgehen.“ oder „Grundsätzlich helfe ich gerne, aber (leider) muss ich diesmal absagen“. Insgesamt empfiehlt es sich, kein „leider“ zu verwenden. Dadurch wird verhindert, dass in unserer Absage ein Hauch von schlechtem Gewissen mitschwingt. 

Sollte ich mein Nein begründen?

Da es sich bei einem Schulkollegium in erster Linie um einen beruflichen Bereich handelt, empfiehlt es sich, die Absage mit einer Erklärung zu begründen. Dies kann auch grundlegend der Mangel an Energie sein. Grundsätzlich sind Sie jedoch nicht dazu gezwungen, sich zu erklären: Ihr „Nein muss […] nicht etwas sein, was jeder persönlich nachvollziehen kann. Dass die Bitte aktuell vielleicht einfach nicht zu [Ihren] Interessen und [Ihrem] Leben passt, reicht völlig aus“ (foodspring o. D.). 

„Nein“ bedeutet nicht „nie“

Zeigen Sie jedoch deutlich, dass dies nur aktuell der Fall ist und Sie beim nächsten Fall gerne (wieder) (mit)helfen. Andernfalls könnte Ihre ablehnende Haltung nämlich schnell als unkameradschaftlich verstanden werden. Gleichzeitig kann sich dieser Punkt durch die eingangs dargestellten Ängste und Bestrebungen auch negativ auf unsere Entscheidung auswirken. Legen Sie dies jedoch unbedingt ab: „Die Angst davor, unter Kollegen an Ansehen zu verlieren oder einen Ruf als unkollegialer Neinsager zu haben, macht [Ihnen] das Leben unnötig schwer“ (foodspring o. D.). 

Es gibt nunmal Situationen, in denen wir nicht zusagen können oder möchten. Haben wir noch dazu bereits zu einer Vielzahl an Projekten Ja gesagt, so können wir nicht zusätzlich noch mehr annehmen beziehungsweise es wäre ratsam, dies nicht zu tun. Machen Sie also deutlich, dass Ihre Ablehnung nicht auch grundsätzlich für die Zukunft gilt.

Ein teilweises „Nein“

Anstatt ganz abzulehnen, könnten Sie aber auch anbieten, zumindest „einen Teil der Bitte zu erfüllen“ (Konnerth 2020), sollten Sie dazu bereit sein. Können Sie beispielsweise zeitlich nicht die notwendige Präsentation halten, so könnten Sie alternativ aber helfen, die Materialien hierfür zusammenzutragen oder ähnliches. Auf diese Weise unterstreichen Sie den Aspekt, dass Sie grundsätzlich zwar helfen möchten, aber der Bitte in diesem Fall nicht vollkommen nachkommen können.

Die Bitte um Aufschub

Neben den genannten Reaktionsmöglichkeiten können Sie aber auch um Bedenkzeit bitten, bevor Sie auf die an Sie herangetragene Bitte reagieren. Mitunter sind wir uns nicht sicher, ob wir über die nötige Zeit und die notwendigen Kraftreserven verfügen, um der Anfrage nachkommen zu können. Anstatt sich also überrumpelt zu fühlen und aus diesem Grund eine vorschnelle Antwort zu geben, könnten wir darum bitten, dem Gegenüber später eine Antwort zu geben. Idealerweise nennen Sie bereits einen Zeitpunkt, zu dem dies geschehen wird. Dies kann folgendermaßen geschehen: „Mein Terminplan ist bereits recht voll. Ich sehe mir das in Ruhe an und gebe dir dann morgen/heute Abend/… bescheid.“ Dies gibt Ihnen genug Zeit, das Für und Wider abzuwägen.

Fazit

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Angst vor dem Neinsagen vielerlei Ursachen hat. Das geht vom Harmoniebedürfnis über die Angst vor negativen Konsequenzen bis hin zur Befürchtung, etwas zu verpassen. Zusätzlich wird Dinge abzulehnen nicht immer positiv aufgenommen. Allerdings können Sie nicht alle Aufgaben übernehmen und sollten sich auch nicht dazu gezwungen sehen, dies zu tun. Mithilfe der oben genannten Wege lässt sich jedoch souveräner auf Anfragen reagieren, denen wir nicht oder nur eventuell nachkommen möchten oder können. Mit einer freundlichen aber bestimmten Reaktion, die dabei deutlich Ihre Prioritäten unterstreicht, lässt sich besser auf Anfragen reagieren, ohne das Gegenüber vor den Kopf zu stoßen. Neinsagen fällt nicht immer leicht, aber mit ein bisschen Übung kann diese Fähigkeit deutlich verbessert werden.

Literaturverzeichnis:

Abbildungsverzeichnis:

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  1. Schöner Artikel!
    Diese Ja-Spirale macht glaube ich jeder von uns mal durch. Hatte ich vor ein paar Jahren auch bei mir im Blog besprochen, wenn auch nicht ganz so diplomatisch und mit Fachliteratur fundiert unterfüttert:

    https://herrmess.de/2014/05/10/vom-schwersten-wort-der-welt/

    Ich bedinge mir bei Anfragen immer Bedenkzeit aus. Somit komme ich Überrumplern zuvor, die gerne mal auf den Überraschungseffekt setzen 😉

    • Laerari

      Vielen Dank für das Lob.
      Die Idee mit der Bedenkzeit finde ich ausgezeichnet. Dann kann man sowohl Überrumplern zuvorkommen als auch sich selbst darüber klar werden, wie man schlussendlich antworten möchte.
      Den Artikel lese ich mir gerne durch. Der Titel „Vom schwersten Wort der Welt“ klingt auf jeden Fall sehr vielversprechend.

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