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„La patience est un chemin d‘or.“ (zu Deutsch: Geduld ist ein goldener Weg.) Bei diesem französischen Satz handelt es sich nicht nur um eine bloße Redensart. Im Unterricht spielt dieser Aspekt eine äußerst wichtige Rolle. Stellen Sie eine Frage im Verlauf des Unterrichts, sollten Sie unbedingt einige Zeit abwarten, bevor sie die erste Person auswählen, die auf die Frage reagieren darf. Dies gilt insbesondere für komplexere Fragen.

Im Folgenden möchte ich genauer ausführen, warum es speziell im Fremdsprachenunterricht wichtig ist, genügend Zeit verstreichen lassen, bevor jemand antworten darf. Des Weiteren möchte ich mögliche Gründe nennen, aus denen oftmals nicht lang genug gewartet wird. Abschließend werde ich noch einige Tipps geben, wie Sie besser mit dem Warteprozess umgehen und zudem sicherstellen können, dass diese Zeit des Wartens auch die erwarteten Ergebnisse bringt.

Geduld im Fremdsprachenunterricht 

Speziell im Fremdsprachenunterricht gilt es, stets genügend abzuwarten, bevor ein/e Lernende*r ausgewählt wird. Schließlich verstehen sie nicht automatisch unsere Fragen. Dies liegt daran, dass der Großteil unserer Schüler*innen nicht oder nur wenig in der Lage sind, in der jeweiligen Fremdsprache zu denken. Je fortgeschrittener sie in ihrem Lernprozess der Sprache sind, steigert sich natürlich diese Fähigkeit. Gerade am Anfang fällt es ihnen dies aber noch schwerer. 

In der Regel geht der eigentlichen Antwort ein längerer Prozess voraus. Dieser vollzieht sich folgendermaßen: Die Schüler*innen nehmen die gestellt Frage auf. Daraufhin übersetzen sie mental die Frage aus der Fremdsprache ins Deutsche. Daran anschließend überlegen sie sich eine Antwort, die sie dann in die jeweilige Fremdsprache übersetzen. Dann erst hebt der/die Schüler*in die Hand. Dieser Vorgang klingt nicht nur lang, er nimmt tatsächlich eine gewisse Zeit in Anspruch. 

Was die Forschung hierzu zu sagen hat

Dies ist der Hauptgrund, aus dem wir Lehrkräfte den Lernenden ausreichend Zeit zur Verfügung stellen müssen, um auf eine Frage, insbesondere eine von komplexer Natur, reagieren zu können. Das Ergebnis einiger Forschungen zu dem Thema, wieviel Zeit Lehrer*innen in der Regel verstreichen lassen, bevor sie eine Person auf eine Frage antworten lassen, ist jedoch niederschmetternd. Oftmals beträgt die Wartezeit nicht einmal drei Sekunden. Die Tendenz liegt bei einer (!) Sekunde. 

Selbstversuch 

Wie lange es dauert, auf eine Frage zu antworten – egal, ob in der Mutter- oder der Fremdsprache -, zeigt sich bereits an einem Selbstversuch. Wird uns eine Frage gezeigt, so tendieren auch wir Erwachsene dazu, uns erst eine Antwort zu überlegen, bevor wir diese aussprechen. Dabei benötigen wir in der Regel ebenfalls mehr als eine Sekunde. Schließlich würden wir selbst auch nicht einfach nur irgendwas äußern wollen. Stattdessen bevorzugen wir es, eine Antwort zu geben, die Hand und Fuß hat.

Mögliche Gründe

Ich vermute mehrere Gründe für die Tendenz, nicht lange abzuwarten: 

(1) Unbehagen

Zum einen sehe ich dahinter das Unbehagen, diese Momente der Stille auszuhalten. Dies ist jedoch sehr wichtig, da Nachdenken nunmal auch Konzentration nötig macht. Unterbricht man diesen Prozess jedoch zu früh, kann sich dies schnell als kontraproduktiv erweisen.

(2) Ungeduld

Des Weiteren strecken sich in den Sekunden des Wartens schließlich von Beginn an, bereits einige Hände entgegen. Je länger die Wartezeit andauert, desto ungeduldiger wirken diese Schüler*innen zudem noch. Dass sie warten müssen, liegt ja aber wiederum an der Lehrkraft, die mit der Auswahl wartet. Der/Die Schuldige für diese Ungeduld zu sein, kann dabei mitunter ein ungemütliches Gefühl hervorrufen. Davon darf man sich als Lehrperson jedoch nicht abschrecken lassen. Wie ich bereits in meinem Artikel über den Unterrichtsbeginn angemerkt, kommen die ersten Meldungen in der Regel von Schüler*innen, die kaum oder nur wenige Probleme in der Zielsprache haben. Es gilt jedoch stets mit denjenigen zu beginnen, die mehr Schwierigkeiten haben.

(3) Zeitmangel

Mein dritter Grund ist, dass Lehrer*innen tendenziell zu sehr die verstreichende Zeit im Blick haben, die ihnen für eine Unterrichtsstunde zur Verfügung steht. Die Zeit des Wartens auf Schülerantworten kann dabei schnell als ungenutzte Zeit gesehen werden. Man könnte diese Zeit doch eigentlich für besseres verwenden, als für das Warten. Eine derartige Denkhaltung gilt es aber tunlichst zu vermeiden. Die Schüler*innen benötigen schlichtweg genügend Zeit, um ausreichend antworten zu können. Geben Sie Ihren Lernenden ausreichend Denkzeit, so wird Ihnen dies auch mit besseren Antworten gedankt. 

(4) Vorüberlegungen

Zusätzlich überlegen wir uns Lehrkräfte oft schon vorab, was für Antworten wir erwarten. Dadurch sind wir unserer Klasse allerdings deutlich voraus. Aus diesem Grund kann dann auf Seiten der Lehrkraft schnell der Eindruck entstehen, dass die Lernenden doch eigentlich nicht soviel Zeit benötigen, um zu einem ähnlichen Ergebnis zu gelangen. Dabei handelt es sich natürlich um einen Trugschluss. Würden wir stattdessen aber im gleichen Augenblick wie die Schüler*innen mit einer Frage konfrontiert und müssten auf diese eine angemessene Antwort finden, so würde sich sicherlich schnell zeigen, dass wir auch mehr Zeit benötigen, wie bereits zuvor ausgeführt. 

Tipps 

Was gibt es denn nun aber für Möglichkeiten, um uns die Wartezeit zu erleichtern? Und wie kann man sicherstellen, dass diese Zeit des Abwartens dann auch die gewünschten Ergebnisse erzielt? Hierfür habe ich mehrere zentrale Ratschläge: 

(1) 10 Hände

Um einen ungefähren Referenzpunkt zu haben, können Sie beispielsweise abwarten, bis sich min. zehn Schüler*innen melden. Dies kann auch offen kommuniziert werden. Erweist sich die Wartezeit als länger, so kann man den Lernenden deutlich sagen, dass man auf die Meldung von zehn Personen wartet. Dadurch, dass die Schüler*innen tendenziell die Wartezeit verkürzen möchten, ist es dann wahrscheinlicher, dass sich auch mehr von ihnen melden werden.

(2) Ein Signal

Während des Warteprozesses sollte den besonders schnellen und dadurch oftmals auch ungeduldigen Schüler*innen mitunter signalisiert werden, dass sie gesehen wurden, aber dennoch noch warten müssen. Auf diese Weise fühlen sich diese nicht übersehen und zeigen sich tendenziell weniger ungeduldig.

(3) Ablenkungsmöglichkeit I

Um uns selbst vom eigentlichen Warteprozess abzulenken, kann man sich beispielsweise auf die Gesichter der einzelnen Schüler*innen konzentrieren. Häufig zeigen sich darin bereits Anzeichen dafür, wie weit sie mit ihrer Antwort vorangekommen sind. Auf diese Weise kann man beispielsweise auch diejenigen zu einer Meldung animieren, die sich zwar eine Antwort überlegt haben, was sich meist deutlich in deren Verhalten zeigt, sich aber dennoch nicht melden.

(4) Ablenkungsmöglichkeit II

Eine weitere Idee, um sich vom eigentlichen Aspekt des Wartens abzulenken, kann das zählen der Sekunden sein. Setzen Sie sich eine gewünschte Anzahl an Sekunden und fangen sie innerlich an zu zählen. Das mag zwar kontraproduktiv klingen. Überlegt man sich jedoch, dass das Zählen von Sekunden auch eine Art Tätigkeit ist, so zeigt sich schnell, dass dies die Aufmerksamkeit vom langweiligen Warteprozess abgelenkt wird. 

(5) Proaktiv I

Auch schon vor der Nennung der eigentlichen Frage im Unterricht kann einer unnötigen Verlängerung des Antwortprozesses entgegengesteuert werden. Dies passiert auf zweierlei Art: Zum einen gilt es, eine frage so klar wie möglich zu stellen. Es ist mir bereits selbst schon passiert, dass die Aufgabenstellung so unklar war, dass niemand oder nur ein/e Schüler*in eine Antwort gegeben hat, die dann auch noch falsch war. Überlegen Sie sich selbst, was Sie eigentlich auf Ihre Frage hin hören möchten. Auf Basis der erwarteten Antwort(en) sollte dann geschaut werden, ob die Frage das gewünschte Ergebnis erzielen würde. Ist dies nicht der Fall, so sollte die Frage umformuliert und angepasst werden.

(6) Proaktiv II

Ein weiterer Tipp, der die Wahrscheinlichkeit steigert, dass das Warten auf Antworten auch Früchte trägt, ist Folgender. Schreiben Sie Ihre Fragen, wenn möglich, an die Tafel an. Besonders für schwächere Schüler*innen kann sich hierdurch das Verständnis der eigentlichen Fragestellung bedeutend verbessern. Zudem geschieht dies noch schneller. Die Wahrscheinlichkeit der gezielteren Antworten steigert sich hierdurch garantiert. 

(7) Das Einzelgespräch

Ein letzter Aspekt, welchen ich auch schon eingesetzt habe, ist der, stärkeren Schülern*innen, die sich oftmals besonders ungeduldig zeigen, offen die eigene Vorgehensweise und Gründe für diese zu erläutern. Ich habe besagten Lernenden dabei deutlich gemacht, dass ich gerade zu Beginn oftmals die schwächeren Schüler*innen auswähle, um diesen auch eine Chance zu geben. Auch sollten die Schüler*innen verstehen lernen, dass gerade bei einfacheren Aufgaben tendenziell andere Lernende zuerst drangenommen werden. Durch diese offene Darstellung reduziert sich bereits vorab eine mögliche Enttäuschung, wenn sie nicht oder nicht als erstes ausgewählt werden.

Diese Liste ist selbstverständlich nicht komplett, jedoch sind dies einige Aspekte, die ich bereits im Unterricht eingesetzt habe und die sich bereits als vorteilhaft erwiesen haben. 

Abschließend…

Abschließend lässt sich festhalten, dass es in vielerlei Hinsicht von Vorteil ist, nach einer gestellten Frage einige Zeit abzuwarten. Erst im Anschluss daran, kann dann ohne Sorge eine Person ausgewählt werden, die die jeweilige Frage beantwortet. Dies ist besonders im Fremdsprachenunterricht von großer Bedeutung, da Verstehens- und der Formulierungsprozess oftmals viel Zeit benötigt. Dies gilt speziell für schwächere Schüler*innen. Um auch diesen die Möglichkeit zu bieten, sich am Unterrichtsgespräch zu beteiligen, gilt es, ihnen ausreichend Zeit zu bieten. Je mehr Zeit somit geboten wird, desto mehr steigert sich in der Regel auch die Beteiligung. Und genau das ist ja eigentlich das gewünschte Ziel, wenn wir eine Frage stellen. Somit kann ich nur noch einmal wiederholen, dass sich ausreichend Geduld hier tatsächlich als ein goldener Weg erweist. Lernen Sie also unbedingt mehr zu warten!

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