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In meinem Artikel der vergangenen Woche äußerte ich mich zu Waffengewalt an Schulen, mit speziellem Verweis auf den Amoklauf an einer Grundschule in Uvalde, USA vom 24. Mai 2022. (Hier geht es zum Link: „Waffengewalt an Schulen – Eine Reflexion„) In diesem Artikel schrieb ich auch, dass sich eigentlich so niemand wirklich sicher sein kann, nicht auch Opfer eines Angriffs jeglicher Art werden zu können. Schließlich muss man sich „lediglich“ zur falschen Zeit am falschen Ort aufhalten. Somit kann man sich auch als Lehrkraft nicht sicher sein, nicht in jeglicher Form attackiert werden zu können – ob nun mit Waffen oder in anderer Form. Und genau dies musste ich nur wenige Tage nach dem Amoklauf in einem Artikel lesen. (Hier geht es zum Artikel: „Loiret : Un professeur agressé devant ses élèves“.)

Lehrer im Unterricht angegriffen

In diesem Artikel stand, dass am Mittwoch, dem 01. Juni 2022, ein Sportlehrer in einer Schule in Frankreich mitten im Unterricht und vor den Augen seiner Schüler*innen angegriffen worden ist. Zunächst beleidigte der Angreifer den Lehrer, um ihn daraufhin so stark zu schubsen, dass dieser zu Boden fiel. Glücklicherweise ist dem Lehrer nicht noch Schlimmeres widerfahren. Im Anschluss an dieses Ereignis flüchtete der Angreifer, um sich schon am darauffolgenden Tag der Polizei zu stellen. Bei dem Angreifer soll es sich um den 19-jährigen Bruder einer Oberstufenschülerin des Lehrers handeln. Dieser besucht diese Schule jedoch nicht.

Abgesehen davon, dass nichts ein derartiges Verhalten rechtfertigt, sind die angegebenen Gründe einfach nur absurd: Die Schülerin soll sich über eine schlechte Note geärgert haben sowie über die Bitte seitens des Lehrers, den Schal, den sie um den Hals trug, abzulegen, um eine sportliche Übung auszuführen. DAS WAREN DIE GRÜNDE??? Weil der Lehrer seinen Job tat, wird er als Dank angegriffen!? Was ist dies bitte für eine Denkweise seitens der Schülerin und ihres Bruders???

Kein Einzelfall…

Laut dem Artikel soll es sich bei diesem Ereignis nicht einmal um einen Einzelfall handeln. In den vergangenen Monaten soll es mehrere solcher Angriffe auf Lehrkräfte in französischen Schulen gegeben haben. Dabei ist mir eine Aussage in diesem Artikel besonders ins Auge gesprungen, die von dem nationalen Sekretär für Arbeitsbedingungen für die SNALC, die Gewerkschaft des nationalen Bildungspersonals, Maxime Reppert, stammt. Darin sagte dieser: „Si vous avez un métier qui est rabaissé, négligé, où on ne reconnaît pas les enseignants comme des professionnels, il ne faut pas s‘étonner qu‘il y ait des agressions grandissantes“. Zu Deutsch: Wenn Sie einen Beruf haben, der herabgewürdigt und vernachlässigt wird, und in welchem die Lehrkräfte nicht als sachkundige Personen anerkannt werden, muss man sich nicht wundern, dass es zunehmend zu Angriffen kommt.

Unverständnis

Mich hat diese Aussage sehr getroffen. Sie bringt deutlich zum Ausdruck, dass diese Probleme durch die Entwicklungen in der Gesellschaft entstanden sind. Gleichzeitig macht sie mir auch Angst. Zwar unterrichte ich nicht in Frankreich, aber auch weltweit sieht sich das Bildungsmilieu doch vielfach verunglimpft. Das gilt auch für Deutschland. Das beginnt bereits bei vielen Eltern, die meinen, es besser zu wissen als diejenigen, die für den Beruf ausgebildet wurden. Dies führt nicht gleich zu Aggressionen, obwohl ich auch schon von Eltern gehört habe, die die Lehrkraft ihres Kindes angegriffen haben, nichtsdestotrotz erhalten meine Kollegen*innen und ich doch immer wieder Beschwerden über eine vermeintlich ungerechtfertigte Bewertung, Bestrafung oder ähnliches.

Nach Lektüre des genannten Artikels sowie eines später erschienen Berichts stelle ich mir folgende Frage: Wie können Lehrkräfte ihren Beruf noch richtig ausführen, wenn jegliche Entscheidung derartig heftige Konsequenzen nach sich ziehen kann? Ich kann mir vorstellen, dass nicht wenige Lehrkräfte durch solche Berichte Angst haben werden, schlechte Noten zu geben, wenngleich diese gerechtfertigt sind. Denn die Gründe für eine derartige Benotung analysieren diese Angreifer*innen nicht. Hauptsache, sie haben der betroffenen Lehrkraft deutlich gezeigt, was sie von dieser Bewertung halten.

Zwar handelte es sich in diesem Fall um eine externe Person, nichtsdestotrotz hat die Vergangenheit nur deutlich gezeigt, dass auch interne Personen wie Schüler*innen zu solch einer Tat fähig sind. Dementsprechend sind stärkere Kontrollen am Eingang einer Schule nicht ausreichend, um derartige Aktionen zu verhindern. Noch dazu führte der Täter, meines Wissens nach, ja auch keine Waffe mit sich. Dementsprechend könnte eine interne, unbewaffnete Person, die einen derartigen Angriff plant, gar nicht oder kaum aufgehalten werden, da es schließlich keinerlei offensichtliche Anzeichen für eine solche Tat gibt.

Abschließend…

Lehrerin hin oder her, ich bin einfach nur schockiert. Noch dazu ist mir unbegreiflich, wie eine schlechte Note und eine Bitte, einen Schal abzulegen, der im Sportunterricht zu einer echten Gefahr für die Person werden kann, die diesen trägt, zu einer solch heftigen Reaktion führen können. Die Lehrkraft wird nicht mehr als Respekts- oder Autoritätsperson betrachtet. Stattdessen zeigt dieses Verhalten, dass diese als wertlos erachtet wird, deren Würde in keiner Weise zu respektieren ist.

Neben meinem Schock empfinde ich auch eine gewisse Traurigkeit. Wenn ich sehe, wieviel Arbeit viele Lehrer*innen in ihren Beruf stecken, um jeden Tag aufs Neue die Lernenden zu motivieren, und dies wird ihnen auf eine solche Weise gedankt, dann stimmt mich dies auch traurig. Selbstverständlich sind nicht alle Lehrkräfte gleichermaßen engagiert, dennoch gilt für die Mehrzahl, dass sie stets bemüht sind, den Lernenden etwas beizubringen.

Dazu gehört jedoch auch das Geben von Noten. Das Notenspektrum besteht jedoch nicht nur aus „gut“ und „sehr gut“. Wenn ein/e Schüler*in sich nicht genug bemüht oder das Ergebnis trotz aller Anstrengungen nicht ausreichend ist, so hilft alles Jammern nichts. Die Noten sollten stets angemessen sein. Nicht wenige Schüler*innen wollen dies jedoch nicht einsehen. Ich weiß nicht, warum die Schülerin in diesem Fall eine schlechte Note erhielt. Jedoch kann ich mir vorstellen, dass auch diese nicht versuchte, die Angemessenheit der Bewertung zu erkennen. 

Für die Zukunft kann ich nur hoffen, dass sich diese erschreckende Entwicklung nicht fortführen wird. Dafür ist, meiner Meinung nach, jedoch ein Umdenken der Gesellschaft nötig, was ich im Augenblick eher als Wunschdenken denn als baldige Realität sehe. Aber schließlich stirbt die Hoffnung zuletzt…

Literaturnachweise:

Abbildungsverzeichnis:

  • Abbildung 1: eigene Darstellung

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