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Der amerikanische Schriftsteller George R. R. Martin sagte einst: „A mind needs books as a sword needs a whetstone – if it is to keep its edge.“ (zu deutsch: Ein Verstand braucht Bücher wie ein Schwert den Schleifstein, wenn es seine Schärfe behalten soll.) und drückte damit aus, wie stark der Einfluss eines Buches auf unseren Geist sein kann. Denn dieses besitzt die Macht, uns zum Denken und sogar Umdenken zu bewegen. Mitunter kann eine Lektüre uns sogar zum Handeln bringen. 

Doch das Lesen kann auch das Gegenteil bewirken. Wir alle haben sicherlich schon das Missvergnügen gehabt, ein schlechtes Buch zu lesen oder eines, welches uns persönlich einfach so gar nicht zusagt. Letzteres kommt doch oft vor, wenn uns eine Lektüre regelrecht aufgezwungen wird. Und wo sonst sollte das der Fall sein, wenn nicht in der Schule? Denn nicht jedes Buch, welches Teil des Pflichtprogramms ist, macht den Schülern*innen auch Spaß. Natürlich ist die Freude am Lesen in der Regel nicht der Hauptgrund, weshalb ein jeweiliges Buch für den Lehrplan ausgewählt wird. Mehr Schüler*innen dazu motivieren, auch außerhalb des Unterrichts mal ein Buch in die Hand zu nehmen, wird dies aber sicherlich nicht.

Und das ist, wie wir wissen, ein großes Problem. Es zeigt sich nämlich immer deutlicher, wie wenig Schüler*innen überhaupt noch privat lesen und das insbesondere aus Büchern. Das Abschalten von Medien geschieht immer weniger. Und dabei ist das fokussierte, reine Konzentrieren auf ein Buch, egal welchen Genres, doch wichtig. Um dem entgegenzuwirken hat unsere Schule in diesem Jahr ein neues Projekt zu starten: „Silence, on lit !“ (zu deutsch: Ruhe, wir lesen!). Die Idee für das Projekt stammt von einer Schule in Ankara, Türkei an der dieses Projekt bereits 2001 gestartet wurde. Seitdem sind viele Schulen weltweit diesem Beispiel gefolgt – und nun auch unsere Schule.

Abbildung 1: Meine Lektüre und das dazugehörige Lesezeichen

Das Projekt

Nach mehrmonatiger Vorarbeit wurde das Projekt nun in der vergangenen Woche eingeführt. Jeden Vormittag um die gleiche Zeit werden der Unterricht und ein Großteil des Arbeitsgeschehens eingestellt und stattdessen wird für 15 Minuten gelesen. Um das zu ermöglichen, wurde extra der Stundenplan angepasst. Die Unterrichtstage beginnen und enden aber nach wie vor um die gleiche Zeit.

Jede Klasse hat eine Person, die als „Botschafterin“ fungiert und für die Umsetzung des Projekts in der jeweiligen Klasse sorgt und natürlich auch für das Einhalten der Regeln. Es wurde auch um Buchspenden gebeten. Auf dem gesamten Schulgelände gibt es nun Bücherkisten, in die Bücher hineingelegt und aus denen Bücher entliehen werden können. Auch einen extra Gong gibt es, der den Beginn und das Ende der 15-minütigen Lesezeit ankündigt.

Die Resonanz

15 Minuten klingen nicht nach viel, aber dieses ungewöhnliche Vorgehen zeigt doch Wirkung. Tatsächlich hat sich die Mehrheit der Schüler*innen auf dieses Projekt eingelassen. Die meisten haben tatsächlich stets ein Buch dabei. Unter den Lehrkräften habe ich bisher nur positive Reaktionen wahrgenommen.

Natürlich hat alles Neue seine besondere Anziehungskraft, die oftmals ziemlich bald entschwindet. Bereits jetzt gibt es Schüler*innen, die genervt reagieren, wenn der Schulgong für die Lesezeit erklingt. Wie zuvor gesagt, wurde das Projekt jedoch mehrheitlich gut angenommen und nach wie vor beobachte ich Schüler*innen, die mit Begeisterung ihr Buch zücken. Gleiches gilt für die Lehrkräfte.

Einige Kollegen*innen meinten auch schon, dass das ein Projekt ist, welches wirklich etwas bewirken könnte. Da es in der Elfenbeinküste auch Erwachsene gibt, die nicht (richtig) lesen und schreiben können, habe ich zudem gehört, dass es die Idee gibt, den an der Schule Beschäftigten, auf die das zutrifft, in den 15 Minuten vorzulesen. So könnten auch diese von dem Projekt profitieren.

Sorgen und Zweifel

Einige Lehrkräfte haben aber schon von ihrer Sorge erzählt, dass über die Zeit hinweg immer weniger Schüler*innen mitmachen könnten. Denn, auch wenn diese 15 Minuten in der Regel im Rahmen des Unterrichts geschehen, so kann man die Klasse ja nicht zum Lesen zwingen. Einige nutzen diese Zeit stattdessen, um die Augen zu schließen und sich auszuruhen. Die Befürchtung besteht, dass deren Anzahl stetig steigen könnte.

Einige Lehrer*innen unken auch, dass man jemanden, der nicht lesen mag, auch durch ein solches Projekt nicht zu einem/r großen Leser*in machen wird. Und obwohl sie mit dieser Annahme sicherlich recht haben, so empfinde ich diese 15-minütige Lesezeit dennoch als eine gute Möglichkeit, Schülern*innen eine positive Art der Lektüre in der Schule zu schaffen. Denn jede*r kann das Buch wählen, welches ihm/ihr gefällt. Niemand schreibt einem etwas vor und niemand zwingt einen dazu, im Anschluss an die Lektüre darüber Auskunft geben zu müssen.

Dies ist eine große Chance: Bücher könnten von vielen oder zumindest einigen, die nicht gerne lesen, endlich als etwas Schönes wahrgenommen werden. Es könnte (einigen) Menschen den Spaß am Lesen (zurück)bringen.

Abschließend…

Das Projekt „Silence, on lit !“ ist als etwas Dauerhaftes angelegt. Es soll also nicht nur für ein paar Wochen getestet werden, um dann schlussendlich wieder fallengelassen zu werden. Die Zeit wird zeigen, ob es schlussendlich als eine Selbstverständlichkeit gesehen und behandelt werden oder ob der Großteil der Menschen an der Schule die tägliche Lesezeit als Last betrachten wird. So, wie ich die Mehrheit unserer Schülerschaft einschätze, habe ich so meine Zweifel, aber ich lasse mich gerne positiv überraschen.

Ich persönlich mag das Projekt. Es ist ein Moment der Ruhe. Es hilft, etwas runterzukommen und dem Schulstress für einen kurzen Moment zu entfliehen. In dieser Zeit beispielsweise in eine andere Welt eintauchen oder sich inspirieren lassen zu können, empfinde ich als eine schöne Art des Abschaltens.

Tatsächlich habe ich während der 15 Minuten Lesezeit in der Regel tatsächlich ein ganzes Kapitel geschafft. Man darf die Kürze der Zeit also nicht unterschätzen. Das erste Buch, welches ich für die Lesezeit gewählt habe, ist: „La librairie des livres interdits“ von Marc Lévy (zu deutsch: Die Buchhandlung der verbotenen Bücher). In der 15-minütigen Lesezeit, zur Promotion von Büchern, ein Buch über Bücher zu lesen – es gibt wohl kaum etwas Passenderes.

Abbildungsverzeichnis:

  • Abbildung 1: „Meine Lektüre und das dazugehörige Lesezeichen“: eigene Darstellung basierend auf dem Cover des Buchs „La librairie des livres interdits“ von Marc Lévy, erschienen 2024 im Verlag Robert Laffont / Versilio und einem Lesezeichen herausgegeben zum Anlass des „Silence, on lit !“-Projekts (Quelle: https://www.silenceonlit.com).

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