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Schummelnde Schüler*innen

Täuschen im Unterricht

Speziell seit vorletztem Jahr habe ich mit einem Problem zu kämpfen, welches immer stärker zunimmt: schummelnde Schüler*innen. Hatte ich zuvor mal mit einer oder zwei Personen umzugehen, die sich nicht an die Regeln hielten, so hat sich das betrügerische Verhalten im Rahmen von Leistungsüberprüfungen inzwischen zu einem echten Problem entwickelt. Es handelt sich hierbei nicht etwa um ein individuelles Problem, welches nur mich betrifft. Auch andere Kollegen*innen haben vermehrt damit zu kämpfen.

Es sind zum Teil ganze Gruppen an Lernenden, die alles versuchen, um auf dem einfachsten Weg zu einer guten Note zu gelangen. Sogar ganze Klassen wurden bereits gesondert in den Fokus genommen. Ich erinnere mich daran, dass die Schule im letzten Jahr zum einen eine Rundmail versendete, in der Hinweise zum Ablauf von Tests, Klassenarbeiten und Klausuren ausgegeben wurden. Dabei ging es speziell um die Verhinderung von Täuschungsversuchen. Federtaschen, Smartwatches, Hefte, Bücher, Smartphones etc. sollten in den Schultaschen verstaut und diese unterhalb der Tafel deponiert werden. (In meinem Klassenzimmer war dies bereits zuvor gang und gäbe.) Zum anderen gingen zu der Zeit auch Benachrichtigungen herum, die auf häufige Betrügereien in speziell einer Klasse hinwiesen.

Ich habe auch schon Gerüchte gehört, dass Schüler*innen vermehrt der Meinung seien, dass es an unserer Schule leicht sei zu betrügen. Je mehr derartige Gerüchte die Runde machen, desto mehr Schüler*innen scheinen auf die Idee gebracht zu werden, ebenfalls zu täuschen. Dies geht von den herkömmlichen Spickern über ganze Vokabellisten versteckt unter Pullovern auf dem Tisch bis hin zu Smartwatches versteckt in der Hosentasche. Ob bereits auf kabellose Kopfhörer zurückgegriffen wird, vermag ich nicht zu sagen.

Es wird immer schlimmer

Vor Kurzem wurde ich nun erneut von zwei Kollegen*innen gewarnt, dass in einer gemeinsamen Klasse besonders stark geschummelt werde. Darauf meinte ich, dass es eines Tages noch soweit kommen würde, dass man Schüler*innen vor Leistungsüberprüfungen durchsucht. Die Reaktion daraufhin hatte ich absolut nicht erwartet. Denn tatsächlich hat es in einer Klasse im letzten Jahr ein erstes Abtasten gegeben! Wie genau dies ablief, weiß ich nicht. Schockierend genug war diese Information auf jeden Fall. Dass es bereits soweit gekommen ist, ist einfach nur schockierend.

Ungeahnte Reaktionen

Als ich dies daraufhin auf Twitter ansprach, waren viele Reaktionen nicht so, wie ich diese erwartet hatte. Denn nicht Wenige meinten, dass eher die Lehrer*innen Schuld daran seien. Warum wir denn Prüfungen erstellen würden, bei denen man ganz einfach schummeln könnte. Wir würden es denn Lernenden ja nur einfach machen.

Wie gesagt, habe ich damit nicht gerechnet. Schließlich gibt es Tests, die inhaltlich abfragen, was die Schüler*innen gelernt und wie gut sie während beispielsweise einer Unterrichtseinheit gearbeitet haben. Geht es um bekannte Inhalte, die allen Lernenden vorliegen, so können diese natürlich vorab auch auf Spicker geschrieben werden.

Mir erschließt sich nicht wirklich, wie daraufhin den Lehrkräften die Schuld gegeben werden kann. Schließlich werden auch bestimmte Formate, wie das Verfassen eines Bewerbungsschreibens vorab geübt. Wenn ich also in der darauffolgenden Überprüfung feststellen möchte, wie gut sie dieses Format beherrschen, so können sie auch hier theoretisch immer heimlich etwas vorbereiten, dass ihnen in der Prüfung selbst helfen könnte.

(Selbstverständlich gibt es bestimmt auch Lehrkräfte, die immer wieder denselben Test einsetzen oder nur simple Multiple-Choice-Tests oder ähnliche Formate zum Einsatz bringen. Diese laden wirklich zu sehr zum Schummeln ein. Ich spreche hier jedoch von den Lehrpersonen, die, wie ich, immer wieder neue Arbeiten konzipieren und alles daran setzen, Täuschungsversuche, soweit es geht, unmöglich zu machen.)

Ein weltweites Problem?

Anti-Schummel-Hüte

Nicht nur an unserer Schule werden stetig Überlegungen angestellt, wie Möglichkeiten des Täuschens in Prüfungen reduziert oder ganz verhindert werden können. Unvergessen sind die diesbezüglich erschienen Bilder, die in den letzten Tagen im Netz zirkulierten. Diese zeigen philippinische Schüler*innen mit ihren kreativen Anti-Schummel-Hüten. Der Auftrag bestand darin, jeweils eine Kopfbedeckung zu erstellen, die ihnen das Schummeln unmöglich machen würde. Wie effektiv diese wirklich sind, weiß ich natürlich nicht. Lustig anzusehen waren diese allemal. 

Als Cambridge-Prüferin weiß ich natürlich auch, dass das Schummeln in Multiple-Choice-Tests besonders leicht ist. Teil der Vorbereitung auf Prüfungsaufsichten ist auch das Anschauen von Videos, in welchen mögliche Täuschungsarten dargestellt werden. Bestimmte Bewegungen, die in einer Prüfung nicht natürlich sind, werden hierbei gezielt aufgezeigt. Beispielsweise gibt es Prüflinge, die gemeinsam eine Art Codesystem entwickeln, um sich während der Prüfung gegenseitig die Lösungen zu kommunizieren. Das können zum Beispiel Fuß- oder Handbewegungen sein, die eine bestimmte Bedeutung ausdrücken sollen.

Es scheint also ein weltweites Problem zu sein. Und je höher der Einsatz, desto mehr Schummler*innen scheint es zu geben. Handelt es sich also beispielsweise um eine Abschlussprüfung, die bei Bestehen das Recht auf einen Studienplatz ermöglicht, so werden noch mehr Prüflinge dazu geneigt sein, auf Hilfsmittel jeglicher Art zurückzugreifen.

Unzufriedenheit

Es ist schade, dass viele Schüler*innen den Sinn im Lernen immer weniger zu sehen scheinen. Mehr und mehr wählen den Weg des geringsten Widerstandes. Dass beispielsweise das Lernen von Vokabeln auf lange Sicht gesehen nur hilfreich sein kann, erschließt sich den Lernenden oftmals nicht. Und so werden ihre Wissenslücken immer größer. Von Schuljahr zu Schuljahr schleppen sie diese weiter mit sich herum. So lange, bis sie schließlich für die Haupt- oder Realschulprüfung oder für das Abitur lernen müssen und durch die vielen Wissenslücken riesige Probleme haben.

Dass diese Schwierigkeiten hausgemacht sind, wird ihnen dann vielleicht bewusst. Das Ganze aufzuholen und das in der wenigen Zeit, die zur Verfügung steht, gestaltet sich aber nicht als leicht. Dementsprechend versuche ich meinen Schülern*innen zu verstehen zu geben, weshalb ich beispielsweise in der Oberstufe Vokabellisten erstelle und diese Begriffe auch abfrage. (Der Großteil meiner Kollegen*innen hat anscheinend aufgehört, Vokabeln auszugeben, geschweige denn, diese abzufragen.)

Manche Schüler*innen nehmen dies an. Diesbezüglich hatte ich vor Kurzem ein schönes Erlebnis mit einer meiner Oberstufenklassen (elfte Klasse). In einem langen, von mir initiierten Gespräch haben die Lernenden über ihre Probleme in meinem Fach gesprochen. Gleichzeitig schienen sie auch wirklich zu begreifen, dass ich ehrlich danach strebe, ihre Kompetenzen in meinem Fach zu verbessern, sodass sie es in den beiden folgenden Schuljahren, die für das Abitur zählen, einfacher haben. Ich konnte in den darauffolgenden Schulstunden eine tatsächliche Verbesserung des Arbeitsverhaltens feststellen.

Es macht mich jedoch unzufrieden, wenn ich sehe, dass eine steigende Anzahl von Schülern*innen einfach keinerlei Interesse an einer persönlichen Verbesserung zeigt. Selbstverständlich kann ich meine Schülerschaft nicht zum Lernen und Arbeiten zwingen. Ich kann ihnen nur das Angebot machen. Was sie dann daraus machen, liegt ganz in ihrer Hand. Mich persönlich enttäuscht es jedoch, wenn meine Lernangebote so deutlich abgelehnt werden.

Abschließend…

Wie gesagt, bin ich enttäuscht von der steigenden Anzahl an Täuschungsversuchen, die meine Kollegen*innen und ich derzeit aufdecken. Wieviele unentdeckt bleiben, kann ich gar nicht sagen und vielleicht will ich es auch gar nicht wissen. Die Enttäuschung wäre doch noch größer. Unter uns Lehrkräften sagen wir manchmal bereits im Scherz, dass wir eines Tages die Lernenden mit der besten Schummeltechnik belohnen werden… Im Netz gibt es bereits viele Seiten, die Tipps zum effektiven Betrüben in Prüfungen geben.

Dass manche mit dem Finger auf Lehrer*innen zeigen und auf deren Testformate hinweisen, die es den Schülern*innen ja nur allzu leicht machen zu schummeln, empfinde ich als nur wenig hilfreich. (Davon nehme ich bloße Multiple-Choice-Tests und ähnliche Formate aus, die wirklich zu sehr zum Schummeln einladen.) Schließlich zielen viele Überprüfungen darauf ab, das erarbeitete Wissen zu überprüfen. Somit besteht hier stets die Möglichkeit, heimlich etwas vorzubereiten, was einem die Bearbeitung der Aufgaben während der Klassenarbeit oder sonstigem erleichtern kann.

Wie man dem Problem idealerweise beikommen kann, weiß ich nicht. Dementsprechend bin ich mir auch nicht sicher, ob bei der Vermeidung von Täuschungsversuchen eine Suche nach den Ursachen der ideale Weg ist. Sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben, sehe ich aber auf jeden Fall als wenig hilfreich, dem Problem angemessen zu begegnen. Grundsätzlich muss den Lernenden klar werden, weshalb eine Abkehr vom Schummeln der richtige Weg ist. Denn diese Erkenntnis sehe ich derzeit nicht bei ihnen. Solange ihnen dies nämlich nicht bewusst ist, werden wir auch noch weiterhin mit diesem Problem zu kämpfen haben.

Und Sie?

Mich würde interessieren, was Sie über Täuschungsversuche denken. Haben Sie eine Methode entwickelt, um die Schüler*innen vom Schummeln abzuhalten? Schreiben Sie mir gerne einen Kommentar oder eine persönliche Nachricht. Ich würde mich sehr über Ihre Gedanken, Anmerkungen und/oder Tipps freuen. 

Abbildungsverzeichnis:

Bevor Sie gehen...

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